Kerzen flackern, 46 Menschen stehen in einem großen Kreis und alle schweigen. Nur die vorgelesenen Zitate von Zeitzeugen durchbrechen die Stille. Die gemeinsame Zeremonie im Anschluss an eine Führung durch das Konzentrationslager Sachsenhausen ist eine Tradition in der Schulpartnerschaft zwischen der Realschule St. Martin in der Kleinstadt Sendenhorst (Nordrhein-Westfalen) und der Hayovel Junior High School. »Das war ein intensives Erlebnis und sehr feierlich, das hat uns zusammengeschweißt«, erinnert sich Alexandra Jaspert.
Die Englischlehrerin hat gemeinsam mit ihrer Kollegin Lisa Siemer den Israelaustausch wiederbelebt. Dieser war im Jahr 2000 vom damaligen Schulleiter initiiert worden, der auf einer Fortbildung in dem Land erste Kontakte zu der Partnerschule in Mevassaret-Zion geknüpft hatte. Nachdem während der Coronapandemie keine Begegnungen stattfinden konnten, gelang im Herbst mit tatkräftiger Unterstützung durch den neuen Schulleiter Michael Rotterdam ein Neuanfang. Über Videokonferenzen lernten sich die deutschen und israelischen Lehrkräfte zunächst gegenseitig kennen: »Das war richtig gut und hat die weitere Kommunikation erleichtert«, erinnert sich Alexandra Jaspert, die schon verschiedene Schulfahrten und Ausflüge begleitet hat, selbst aber noch nie in Israel gewesen ist.
Wichtig war es den deutschen und israelischen Lehrkräften, ein ausgewogenes Besuchsprogramm zusammenzustellen: »Es sind ja Jugendliche und die möchten auch Spaß und Sport erleben und nicht nur Gedenkstätten anschauen. Aber natürlich hatten wir auch Museen und Kultur eingeplant. Es war spannend, das alles in Einklang zu bringen.« Sobald Termin und Teilnehmende feststanden, starteten die Jugendlichen in Deutschland und Israel den Austausch über Soziale Medien und die Vorfreude war groß.
Über den Austausch
Programm
Schulpartnerschaften mit Israel
Beteiligte Schulen
Realschule St. Martin, Hayovel Junior High School Mevassaret-Zion
Fördermittel des Auswärtigen Amtes
5.540 Euro
Musik, Kochen, Theater und eine Friedensausstellung
Am 26. September war es dann so weit: Die Gruppe aus Sendenhorst fuhr nach Brüssel, um die israelischen Lehrkräfte und Schülerinnen und Schüler dort abzuholen. Nach einem gemeinsamen Picknick im Park und dem Besuch des EU-Parlaments ging es zu den Gastfamilien ins Münsterland. »Ich selbst habe auch einen Lehrer aufgenommen und wir haben uns gut verstanden«, berichtet Alexandra Jaspert. Die Gäste aus Israel waren in der Woche vor den Herbstferien an der Schule und erlebten ein intensives Programm.
In gemischten Gruppen arbeiteten die Jugendlichen an vier Projekten: Mithilfe eines eigens dafür angefragten Musikers wurde eine deutsch-israelische Band zusammengestellt, die am Abschlussabend gemeinsam einstudierte Stücke vorspielte. Außerdem gab es ein Theaterprojekt, das zwei Sketche auf Englisch und ein Schattentheater präsentierte. Für das Verpflegungsteam wurde ein Koch engagiert, der mit den Schülerinnen und Schülern für den Abschlussabend israelische Gerichte und Gebäck vorbereitete. Ein weiteres Team erstellte eine Ausstellung mit Fotos und selbstgebastelten Friedenstauben auf Papier. »Mir hat das sehr viel Spaß gemacht ‒ zu sehen, dass das, was wir uns zuvor ausgedacht hatten, gut ankommt und einen Austausch und Verständigung zwischen den beiden Kulturen ermöglicht. Wir haben unglaublich viel voneinander gelernt. Es hat zwar viel Arbeit gekostet, aber es war jede Minute wert«, resümiert Alexandra Jaspert.
“So etwas prägt sich ein, das vergisst man nicht mehr”
Am Tag der Deutschen Einheit machte sich die Gruppe gemeinsam auf den Weg nach Berlin, mit Zeit für den Zwischenstopp im ehemaligen KZ Sachsenhausen. Am Berliner Flughafen hieß es dann für die Jugendlichen voneinander Abschied zu nehmen. Die Maschine landete am frühen Freitagmorgen in Tel Aviv – ein Tag vor dem Terrorangriff der Hamas. Eben das löste in Alexandra Jaspert auch Beklemmung aus. »Als ich die ersten Hinweise bekam, kam es mir vor wie am 11. September 2001. Anfangs konnte ich gar nicht richtig realisieren, was eigentlich los ist. So etwas prägt sich ein, das vergisst man nicht mehr«, sagt sie. Auch wenn glücklicherweise weder Schülerinnen und Schüler noch Lehrkräfte in Israel bei den Angriffen verletzt wurden, hat dieser doch Auswirkungen auf die Partnerschule. »Ältere Geschwister und der Ehemann der Austauschlehrerin wurden zum Militär eingezogen. Da das Land so klein ist, kennt eigentlich jeder jemanden, der Angehörige verloren hat.«
Nach den Weihnachtsferien gab es denn auch eine Videokonferenz mit dem israelischen Austauschlehrer, bei der die Schülerinnen und Schüler sich nach der aktuellen Lage erkundigen konnten. »Wir mussten erstmal viele Gefühle auffangen und den Schülerinnen und Schülern zeigen, dass sie sich keine Sorgen um ihre Austauschpartner machen müssen.« Ein Gegenbesuch in Israel, der für April dieses Jahres geplant war, musste allerdings abgesagt werden.