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Vielfalt, Versöhnung, Nachhaltigkeit

Toleranz im täglichen Leben – ein hoher Anspruch. Umgang mit kultureller Vielfalt – eine echte Herausforderung. Versöhnung zwischen den Völkern – eine lebenslange Aufgabe. Die Schülerinnen und Schüler des Nicolaus-Kistner-Gymnasiums Mosbach (Baden-Württemberg) und der Ben-Yehuda-Highschool Ness Ziona in Israel ließen sich von diesen hohen Zielen nicht abschrecken. Gemeinsam unternahmen sie erste Schritte, um sich mit diesen Themen im Rahmen ihrer Schulpartnerschaft auseinanderzusetzen.

Voneinander und miteinander lernen

„Sie können dir alles nehmen, aber niemals das, was du weißt und was du gelernt hast.“ Seite an Seite standen die Schülerinnen und Schüler beider Länder als sie den Lebenserfahrungen Hilde Grynbaum-Simchas lauschten. Eine 99-jährige Holocaust-Überlebende, mit der die Schülergruppen der beiden Partnerschulen bei einem Besuch in Israel zusammentrafen. Seit bereits 14 Jahren besteht zwischen den beiden Schulen eine Freundschaft, die vor allem auf gegenseitigem Respekt und Wertschätzung beruht - und auf dem unbedingten Willen voneinander und miteinander zu lernen.

Die deutschen Jugendlichen sind sich der Besonderheit ihres Austausches bewusst. In einer AG bereiteten sie sich auf den Besuch der israelischen Gruppe vor, beschäftigten sich im Vorfeld mit Fragen der jüdischen Identität, der Kultur sowie dem Land Israel und den Herausforderungen dort. Als sie dann endlich ihre Partnerinnen und Partner in Deutschland willkommen heißen können, bieten sich sofort Gesprächsanlässe. Das Eintauchen in das Leben des anderen hat sich gelohnt. Auf beiden Seiten.

Auf Spurensuche

Für die israelischen Projektteilnehmerinnen und -teilnehmer ist der Besuch in Mosbach DIE Gelegenheit, dem nachzuspüren, was sie bisher nur aus Berichten kannten: Wie lebten jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger in dem Ort, bevor sie ermordet oder vertrieben wurden? Wo finden sich noch ihre Spuren? Über diese Fragen sprachen sie mit den jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger in Mosbach während einer Führung durch das Mosbacher Stadtmuseum. Eindrucksvolle Fotos von den Geschehnissen in der Reichspogromnacht bzw. dem Tag danach auf dem Marktplatz vor dem Rathaus werden ihnen in Erinnerung bleiben. Fragen und Fotos, die sie auch beim Besuch des Bürgermeisters des Ortes, bei der Führung über den alten Synagogenplatz und bei der gemeinsamen Pflege des Friedhofs weiter beschäftigen.

Auf dem Friedhof reinigten sie die Grabsteine, sammelten Abfall, hakten die Wege, stellten Blumen auf, legten Steine ab. Die von den israelischen Schülerinnen und Schülern vorbereitete Erinnerungszeremonie auf dem Friedhof machte die deutschen Jugendlichen mit unbekannten jüdischen Ritualen vertraut. Und es wurde gesungen. Gemeinsam. Und über die dort begrabenen Menschen und ihr Schicksal gesprochen.

Sich der eigenen Privilegien bewusst werden

Vertieft haben die Schülerinnen und Schüler Fragen der Vielfalt und der Identität in einem Workshop unter der Leitung von Prof. Dr. Ella Roininen, Gleichstellungs- und Diversitybeauftragte der Karlshochschule Karlsruhe. In dem Workshop „Voice and Power“ diskutierten sie Machtstrukturen in Gesellschaften und stellten dabei Unterschiede zwischen Israel und Deutschland heraus. Anhand einer Graphik schätzten die Jugendlichen die Machtverhältnisse ihrer eigenen Gesellschaft ein und bewerteten diese für sich. Dass in der anglo-amerikanischen Welt vor allem jüngere, weiße, heterosexuelle, neurotypische und intellektuell begabte Cis-Männer ohne körperliche Beeinträchtigungen das Sagen haben sollen, führte zu intensiven und teilweise auch kontroversen Diskussionen nicht über Geschlechtergerechtigkeit – auch die Bedeutung von Religion im Alltag und das jüdische Leben in Deutschland.

Im dem sich anschließenden „Awareness Walk“ wurden sich die Jugendlichen ihrer privilegierten Position in diesem Gefüge bewusst und setzten sich mit der daraus resultierenden Verantwortung auseinander. Beim Gang durch eine komplett dunkle Ausstellung im Dialogmuseum Frankfurt am Main konnten sie die neu gewonnen Erkenntnisse direkt anwenden und sich in die Perspektive einer blinden Person versetzen.

Und die Jugendlichen wissen: Wo das Wort Verantwortung fällt, ist die Frage danach, wie sie sich ihre Zukunft wünschen nicht weit. Die Klima-Arena in Sinsheim half ihnen dabei die Perspektive zu wechseln und sich für die großen Herausforderungen unserer Zeit zu sensibilisieren. Und auch die Wanderung durch die Margaretenschlucht legte die Auseinandersetzung mit Fragen des Weltklimas, des Natur- und Ressourcenschutzes nahe. Abgesehen davon: frische Luft, Bewegung, eine besondere Pflanzenwelt, rutschige Wege, hohe Felsen, ausgewaschene Schluchten stärkten das Gruppen- und Wir-Gefühl und gaben auch persönlichen Gesprächen Raum.

Theaterworkshop und Graffitidiskussion

Der Austausch endete für die Jugendlichen mit vielen nachhaltigen Eindrücken. Um das Erlebte zu verarbeiten, konnten sie wahlweise an einem Theaterworkshop oder an einer Graffitidiskussion des Theaters Heidelberg teilnehmen. Hier bestand die Qual der Wahl… In dem Theaterworkshop studierten die Schülerinnen und Schüler nur mit ihren Körpern als Kommunikationsmittel ihre Erlebnisse theaterpädagogisch ein. In der Graffitidiskussion hielten die Jugendlichen Thesen und Cartoons zu den Leitthemen ihres Austauschs - Vergangenheit und Gegenwart, Ökologie, Diversität etc. – auf Plakaten fest. Anschließend kommentierten sie diese schriftlich. Eine Art Schreibgespräch, das sie im nächsten Schritt in Kleingruppen diskutierten.

Am Abschlussabend wurde alles gezeigt: Ein Teil der Gruppe führte ihre Performance auf, der andere Teil gestaltete eine Wandzeitung mit den Plakaten der Graffitidiskussion. Zusammen ein perfekter Überblick über alles, was im Rahmen des Austauschs thematisch erarbeitet wurde. Der Erfolg wurde ihnen auch von außen gespiegelt: Sogar Freunde der Austauschteilnehmerinnen und -teilnehmer feierten mit. Und der Austausch machte so ganz nebenbei Werbung für sich selbst.